Harz bei Regen und Sonne

Aurelie. War Harz im Sommer. Und trotzdem regnete es einen ganzen Tag lang. Wir wanderspazierten mit Schirm zum Aussichtspunkt auf das Wernigeroder Schloss, nur um dann das Schloss vor lauter Nebel nicht sehen zu dürfen. Aber Harz im Sommer war auch ein Tag wandern voller Sonne mit wenig Schatten. Feld über Feld übersät mit violetten Fingerhüten, umringt von feinen Nelken-Haferschmielen. Ich habe mich nicht sattgesehen.

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Durch den Schwarzweißfilm, namentlich Aurelie, geht die violette Farbe verloren und auch die schöne Komposition aus Fingerhüten und Nelken-Haferschmielen (Bestimmung durch eine App) konnte ich nicht einfangen. Umso mehr gefallen mir die Bilder vom Regentag. Tatsächlich sind sie im gesamten Film meine Lieblingsbilder.

Rückblende zu meinem Mini-Teaser im letzten logbuch-Post. Der Hinweis vom Fotolabor beängstigte mich; es lautete: „Dein Film war leider nicht vollständig und überwiegend stark unterbelichtet. Die Unterbelichtung macht es ziemlich schwer den Film nahezu Staubfrei scannen zu können“.

Erst beim Schreiben habe ich gemerkt, dass ich ab „stark unterbelichtet“ nicht mehr richtig weitergelesen hatte und stattdessen dramatisch und enttäuscht war. Ein paar Motive/Bilder fehlen und sind nach der Entwicklung nichts geworden, das ist dann der „nicht vollständig“-Teil. Stark unterbelichtet waren viele Bilder (nicht gezeigt), rund die Hälfte, aber sie waren nicht nur schwarze Flecke. Davon bin ich ausgegangen, als ich das gelesen hatte und denke da sehr schwarz-weiß – im wahrsten Sinne des Wortes. Obwohl es sehr viele Dunkelgrautöne mit wenig Kontrast waren.

Wahrscheinlich spielt auch die Tatsache, dass ich das erste Mal mit einem Film ISO 50 gearbeitet habe, eine Rolle. Erstes Fazit: Tendenz stark unterbelichtet. Beim nächsten ISO 50-Film darf ich also bisschen mehr Licht draufgeben.


Kamera + Objektiv: Minolta Dynax 7000i + Minolta AF 50 mm
Film: ILFORD PAN F+ 50
Filmentwicklung + Scan: Urbanfilmlab

Ich fühle was, was du nicht siehst

Wer hätte gedacht, dass das Thema KI es auch auf meinen Blog schafft und ich so gerade noch auf den Zug aufspringen kann? (oder ich hab verpasst, dass ich ihn verpasst habe)

Letztens, als ich die Ergebnisse meines neuesten Fotofilms ansah, analysierte und bewertete, kam mir der Gedanke: Eine KI könnte bessere Fotos machen als ich. Also besser im Sinne von: Eine KI könnte wahrscheinlich Fotos erstellen, die Menschen beeindruckt nicken lassen und mit „Wow, das ist echt ein gelungenes Bild!“ kommentieren würden. Wenn ich meine Fotos diesen Menschen reichen würde, könnte es sein, dass mein bestes Foto ein ehrliches, aber nicht besonders beeindrucktes „Ja, sieht ganz gut aus.“ erringen. Aber es würde eben nicht den Eindruck hinterlassen wie dieses andere geniale KI-Bild.

 

Ein besonderes Gefühl namens Selbstwirksamkeit

In dem Moment wurde mir aber auch klar: So what? Denn just in demselben Moment überkam mich ein besonderes und starkes Gefühl: Das Gefühl der Selbstwirksamkeit.

Das Gefühl, ein Produkt in den Händen zu halten, bei dem ich weiß: Das Bild sieht so aus, weil ich bestimmte Entscheidungen getroffen und danach gearbeitet habe. Entscheidungen auf Basis von Wissen und Gefühl über die Jahre, und auch eine große Portion ausprobieren und Zufall kommen lassen. Ein Bündel an Entscheidungen.

Angefangen bei der technischen Ausrüstung (Kamera, Objektiv, Film), über die Entscheidung über das Motiv (Subjekt, Ausschnitt, Nutzung des Lichts) bis hin zu den Einstellungen an der Kamera, um das Motiv final festzuhalten (Blende, Verschlusszeit, Bildfokus).

Während die ersten beiden Punkte mir mittlerweile nicht mehr so viel Kopfschmerzen und Unsicherheit bereiten, merke ich bei den Einstellungen der Kamera und so gesehen dem fotografischen Farbpinsel, dass ich noch recht jung bin. Da ist viel trial and error und das Wissen, dass ich vieles nicht weiß. Entsprechend freue ich mich wirklich super-mega-sehr, wenn die Bilder was geworden sind.

Hinter jedem Bild steckt so viel: Meine Gedanken des Moments; was ich zu dem Zeitpunkt wusste und was noch nicht. So einige Gefühle und Gedanken, die ein Bild begleiten bis es vor mir liegt.

 

Ich sehe was, was du nicht siehst

Dem Produkt, diesem einem Foto, sieht man diese Gefühle und Gedanken als außenstehende Person nicht an. Diesem einem Foto sieht man nicht an, wo ich vor zwei Jahren stand und mich damals nicht getraut habe, den Automatikmodus der Kamera zu verlassen. Diesem einem Foto sieht man nicht an, dass ich viele Fotos an schlechte Kontraste und zu wenig Licht verloren habe. Diesem einem Foto sieht man den ganzen Lernprozess nicht an. Du weißt worauf ich hinauswill.

Dass niemand, der denselben Weg gegangen ist, diesen Weg ebenso sehen und entsprechend anerkennen kann, ist schade, aber nur natürlich. Aber was mir und dir trotzdem bleibt, ist dieses Gefühl der Selbstwirksamkeit.

Dieses Gefühl, fähig zu sein, ist unbezahlbar und durch nichts zu ersetzen.

Und: wenn ich dieses Gefühl einmal hatte, dann kann mir das keiner mehr nehmen.

 

 

Letzten Endes geht es nicht um die KI. Es hätte auch eine andere Person sein können, die dieses andere geniale Foto macht. Es geht darum, dass ich fotografiere für die Selbsterfahrung, für das Gefühl heute ein bisschen mehr zu wissen und zu können als gestern. Wenn ich ganz weit ausholen will, geht es  darum, wie ich merke, dass ich bin und lebe.

Und das, liebe Menschen, waren meine two cents zum Thema KI und meine drei Pfennig zum Thema  Selbstwirksamkeit.

Hast du schon mal deine Selbstwirksamkeit wahrgenommen und wenn ja, an welche Situationen denkst du dann?

 

Disclaimer: Das ist meine Beschreibung der Selbstwirksamkeit oder eine Situation, in der ich sie erlebt habe – wenn du mehr erfahren willst, deine Suchmaschine des Vertrauens hilft dir weiter.


Kamera + Objektiv: Minolta 9000 AF + Minolta AF 100mm Macro f2.8
Film: Rollei RPX 100
Filmentwicklung + Scan: Charlie Engel Lab 2.0

Posten oder nicht posten?

Diese Aussagen sind soweit wahr:

  1. Es gibt Dinge, die mich so sehr beschäftigen, dass ich unbedingt darüber sprechen/schreiben und sie teilen will. Das ist mein Mitteilungsbedürfnis.
  2. Ich möchte mein Mitteilungsbedürfnis im Internet stillen. Und mein persönlicher Ort dort ist mein Blog geworden.
  3. Das Internet ist ein offener Ort, zu dem sehr viele Menschen Zugang haben.
  4. Mein Blog ist Teil des Internets und offen zugänglich.
  5. Mein Blog ist ein Stück safe space für mich geworden.

Die Kombination aus 1, 2 und 5 ist schön, darüber freue ich mich. Wieso sollte ich mich nicht freuen, dass es irgendwo einen Ort gibt, an dem ich mich mitteilen kann und mich dabei wohlfühle? Problematisch wird es aber durch Aussage 3 und 4, weil ich grundsätzlich ein Mensch bin, dem der Selbstschutz im Internet nicht komplett schnurz ist. Und diese Umstände machen das Bloggen an manchen Tagen für mich ganz schön schwierig, weil ich nicht weiß, wohin es mich mehr zieht. „Posten oder nicht posten? Will ich mich heute mitteilen und dafür ein bisschen mehr von mir erzählen oder lieber doch für mich behalten und schön die Grenzen des Privaten wahren?“

Jedes Mal, wenn sich mir diese Frage stellt, wünsche ich mir einen Leitfaden, einen Entscheidungsbaum mit Ja/Nein-Fragen. Wie bei diesen Tests in den Jugendmagazinen, wo mir am Ende gesagt wird: „Ja, posten, sofort!“ oder „No way! Das ist zu privat!“. Aber sowas gibt es leider nicht. Stattdessen gibt es nur ein vages „Das macht schon mein Bauchgefühl“, aber wer versichert mir, dass mein Bauchgefühl sich nicht in die Irre leiten lässt und Situationen falsch einschätzt?

Richtig, niemand. Aber Tatsache ist auch, dass das bisher die beste Option ist. Mittlerweile – ich habe dieses Thema unendlich oft in meinem Kopf aufgemacht und diskutiert – weiß ich, dass die Entscheidung für/gegen das Posten komplexer ist als ein Ja/Nein-Entscheidungsbaum. Sie hängt mehr als nur von der Thematik oder der reinen Information an sich ab. Was ebenso wichtig ist: der Kontext, der Zeitpunkt, die eigene Persönlichkeit, der Gemütszustand. Am Tag X mag ein Text noch viel zu persönlich sein. Aber aufgrund eines Moments der Erkenntnis könnte ich zwei Tage später zu dem Schluss kommen, dass der Tag gekommen ist, um genau diesen Text zu veröffentlichen. Ich werfe den Selbstschutz über Bord, weil die Mitteilung in die Welt das allemal wert ist.

Besonders die Technik des Internets macht das Bloggen und die Entscheidung zwischen Mitteilungsbedürfnis oder Selbstschutz an manchen Tagen zu einer echten Gratwanderung. Es ist die Kombination aus

  • Asynchronität des Informationsflusses (= Information kann viele Zeit später und immer wieder aufgerufen werden)
  • Vermischung vom sicheren Ort des Schreibtisches mit der Sicherheit des zweidimensionalen Browsers, hinter dem sich das weitläufige Internet befindet
  • Schnelligkeit des Internets, die jeden Impuls aufnimmt und jede Wartezeit und damit auch Momente des Zögerns und Reflektierens eliminiert
  • und noch vieles mehr, was ich vergessen habe, hier aufzuzählen.

Du weißt nicht, wie oft ich diesen Text hier umgeschrieben habe und wie viele Gedanken ich gestrichen habe, weil es den Rahmen sprengen würde. Ich wollte doch nur mal kurz über diese Frage, die mich wiederholt umtreibt, schreiben und keine Abschlussarbeit. Aber ich muss zugeben, es ist ein sehr komplexes Thema und umso länger ich mich damit befasse, desto mehr Kommentare fallen mir ein, inwiefern die Frage „Posten oder nicht posten?“ beantwortet werden kann oder was noch alles beachtet werden könnte. Der Text klingt an einigen Stellen abgehackt und vielleicht auch kryptisch. Vielleicht findet sich mal Motivation, das größer aufzuziehen. Aber mittlerweile bin ich an einem Punkt angekommen, wo es mir nur noch darum geht in die Welt hinauszuposaunen, wie ich zukünftig zwischen Mitteilungsbedürfnis und Selbstschutz entscheiden will.

Also: Wie?

Die Aussage „Das macht schon mein Bauchgefühl“ ist nicht falsch, sie war nur unvollständig. Ich erweitere sie auf „Höre auf dein Bauchgefühl. Aber frage jedes (!) Mal aktiv dein Bauchgefühl. Denn jedes Mal befindest du dich in einem anderen Kontext, einem anderen Gemütszustand, an einem anderen Zeitpunkt in der Gesellschaft und in deiner persönlichen Entwicklung“.

Und dann wird der Bauch schon vor Vorfreude glucksen – oder sich doch lieber aus Skepsis dem Internet gegenüber zusammenziehen.