Mein Repairdate: 3,66 Teile

Im März kündigte ich mein Repairdate an (das Date wurde übrigens mehrmals verschoben 😆). Für mein Repairdate inklusive Dokumentation der Kleidungsstücke wollte ich es mir gemütlich machen. Das bedeutete einerseits die Atmosphäre fürs Repairdate selbst sollte entspannt sein, ebenso sollte aber auch das Fotografieren sich nicht zuuu sehr nach Arbeit anfühlen. Darauf basierend habe ich eine Checkliste erstellt, was ich schon mal vorbereiten kann, damit ich mich am Tag der Reparatur auf die Reparaturen konzentrieren konnte. Zur Vorbereitung gehörte unter anderem etwas für die Ohren vorzubereiten (Podcast-Liste), was für den Durst (eine Kanne Tee) und was für den Hunger (Salzstangen). Die Kleidungsstücke wurden schon vorher rausgesucht und so wusste ich welche kaputten Stellen mich erwarteten und freute mich umso mehr. Und dann, an einem der vielen Mai-Feiertage, war es so weit!

Ausbeute: 3,66 Teile repariert.

Es folgen nun Details zur Ausbeute. Auf die Fotos klicken, dann werden sie größer.

Teil 1: schwarzer Rock

Die Naht, die den Reißverschluss und den Rock verband, löste sich. Damit es nicht schlimmer wurde, wollte ich den Reißverschluss wieder ordentlich annähen. Das habe ich mit dem sogenannten Matratzenstrich gemacht (ein toller Stich, weil der Faden „verschwindet“ und die Naht damit „unsichtbar“ ist). Ging sehr fix, max. 10 Minuten.

Vorher, außen.
Vorher, innen.
Nachher, außen.
Nachher, innen.

Teil 2: altrosa Oberteil mit Blumenprint

An der Naht der rechten Seite, wo Vorder- und Hinterteil verbunden sind, hatte ich einen Riss. 1 cm x 0.5 cm. Diese Stellen mag ich so gar nicht, weil die Nähe zur Naht mich immer überfordert. Tatsächlich hatte ich die Reparatur schon im Rahmen eines Reparaturworkshops von der Fashion Revolution Week im April angefangen (organisiert durch Fashion Revolution Germany / Frankfurt) und mit der Webstopfmethode angefangen.

Zu meinem Repairdate habe ich weiter gestopft. Ich bin so happy über die Farbähnlichkeit. In diesem Fall war das kein Stopf-, sondern Stickgarn (1 von 6 Fäden genutzt) und das Garn hatte ich aus dem Repertoire der Workshop-Leiterin (Ekaterina Haak, die ich an anderer Stelle bereits erwähnt hatte). An sich sieht man die gestopfte Stelle, aber wenn der Winkel günstig liegt, dann fügt sich die gestopfte Stelle optisch gut ins Kleidungsstück.

Vorher.
WIP.
WIP (fast fertig).
Nachher.
Nachher (sehr gut versteckt).

Teil 3: graue Sportshorts

Das war die spannendste Reparatur an dem Tag.

Die Hose hat eine Bundschnur, aber eigentlich sind es zwei Schnüre/Bändchen, die auf der Rückseite in der Mitte eingenäht sind. Das rechte Bändchen ist irgendwo mittendrin gerissen. Damit die Hose irgendwie nutzbar war, hatte ich irgendein Garn genutzt, um das rechte Bändchen zu verlängern. Sah mir doch zu ulkig aus und landete im so-wie-du-aussiehst-trag-ich-dich-nicht-Stapel.

Für die Reparatur habe ich mal gekramt, ob ich irgendwas hatte, das dem Bändchen ähnlich sah und bin fündig geworden mit einem alten Schnürsenkel, bei dem auch die Hälfte abgerissen war. Ideal!

Ich habe also das Garn (rosa) abgemacht und dann die beiden losen Enden der Schnüre (Bundschnur an Hose und Schnürsenkel) mit vielen Stichen vernäht. Dann die losen, ausgefransten Enden abgeschnitten und mit einem Feuerzeug geschmolzen. So waren die Enden sauber und die Wahrscheinlichkeit, dass es wieder aufgeht, wurde minimiert. Die Verbindung verschwindet ohnehin im Hosenbund + jetzt habe ich eine zweifarbige Bundschnur. Schon cool 😀

Vorher.
Vorher, die Verbindungsstelle.
WIP, neues Bändchen annähen.
Nachher, die Verbindungsstelle (Arbeitsseite).
Nachher, die Verbindungsstelle (Arbeitsseite).
Nachher, die Verbindungsstelle (saubere Seite).
Nachher.

Teil 4: schwarzes Tanktop

Das Top hatte auf der Rückseite drei kleine Löcher. Um diese zu schließen, habe ich das erste Mal den Langettenstich ausprobiert. Der macht so viel Spaß! Da rödelt man so vor sich hin und sieht wie das Loch kleiner und kleiner wird.

Auch wenn es schwarzes Garn ist, so sieht man den gestopften Bereich noch recht gut. Invisible mending war das nicht. Ob es mit der Webstopfmethode eher unsichtbar gewirkt hätte? Im Nachhinein habe ich gedacht, dass es lustiger gewesen wäre in Farbe.

Ich habe nur 2 von 3 Löchern an dem Tag geschafft, daher diese 0,66 😀

Das dritte Loch habe ich ein paar Tage später morgens mal gestopft. Am Tag des Repairdates habe ich auf der Vorderseite noch ein Loch entdeckt (das macht die ganze Ausbeuterechnung zunichte)… das wurde mittlerweile ebenso gestopft 😁

Vorher, Rückseite.
Vorher, Rückseite, Loch 2 und 3.
WIP (Loch 1 … ein Loch = viele kleine Löcher …)
Nachher, Rückseite.
Nachher, Rückseite, Loch 1.
Nachher, Rückseite Loch 2 (offen) und Loch 3 (gestopft).

Wie immer bin ich erstaunt, wie lange so eine Reparatur dauert im Vergleich zu der Dauer, die ein Kleidungsstück verschmäht wird wegen des Makels. Das ist in einem krassen Fall 10 Minuten versus X Jahre. Schon ein bisschen verrückt!

Ob ich aber aus dieser Erkenntnis ziehen werde, dass ich die Reparaturen schneller angehen werde?
Ich: 🤷🏻‍♀️

Dieser Post ist ein Teil der Reihe <Mein stopfendes Leben>.

Ankündigung: Repairdate

Ich rede (schreibe) viel übers Stopfen, aber es ist tatsächlich schon eine ganze Weile her, dass ich aktiv meinen Reparaturstapel abgebaut habe. Zuletzt im Oktober 2023 – das war eines von drei reparierten Stücken.

Dies ist also meine Ankündigung in den kommenden Wochen wieder was anzupacken und zu reparieren!

Inspiriert durch Selmin und ihrem Blogpost Ein Repairdate – Zack, komplettes Outfit habe ich mir schon lange ein Repairdate vorgenommen. Die Idee ist so charmant und endlich habe ich mir einen Termin gesetzt und in meinen Kalender eingeplant! Das Date wird also das Mindeste sein, was ich machen werde. Aber ich hoffe ja sehr, dass ich auch schon vor und nach dem Date wieder etwas reparieren werde.

Dabei geht es nicht so sehr um das WIE VIEL, sondern vielmehr um das DASS (auch wenn „Mehr ist mehr“ in diesem Fall zutrifft). Auch muss es nicht nur stopfen sein, sondern alles was das Technikrepertoire so zulässt und das Reparaturherz höher schlagen lässt, ist erlaubt und erwünscht – es heißt nicht umsonst Repairdate höhö.

Frühestens Mai gibt’s dann den passenden Bericht. Frohes reparieren 🪡

Dieser Post ist ein Teil der Reihe <Mein stopfendes Leben>.

„Das Stopfen ist mein Hobby.“

Das Stopfen ist mein Hobby. Ich bin also bereit, freiwillig Zeit in diese Tätigkeit zu investieren und genieße diese Zeit. Ich repariere gerne ein Kleidungsstück und „rette“ es damit vor dem Wegwerfen, weil es mich reizt etwas wieder funktionstüchtig zu machen und aus dem kaputten Zustand zu heben. Der Weg dahin ist die Herausforderung, die mich anspornt: das Verständnis für das Stück vor mir, die Anwendung einer passenden Technik und zu sehen, wie es sich fügt, Webreihe um Webreihe oder Masche um Masche. Diese Herausforderung zu meistern und am Ende das Stück wieder tragfähig gemacht zu haben, hyped mich.

Ich „rette“ es aber nicht aus nachhaltigen Gründen und um weniger Müll zu produzieren. Das ist zwar ein sehr positiver Nebeneffekt, wenn ich stopfe, aber für mich nicht der priorisierte Zweck. Warum ich das erzähle?

Das Narrativ

Das Narrativ, dass ich der Umwelt zugute und aus Nachhaltigkeitsgründen stopfe, trifft auf mich nicht zu und daher möchte ich es nicht (mehr) bedienen. Ich habe das Thema Nachhaltigkeit nie in den Mittelpunkt rücken wollen, aber es schwingte wahrscheinlich immer irgendwo mit. Ein Gespräch ist mir in Erinnerung geblieben und seitdem trage ich so ein unbehagliches Gefühl mit mir rum. Dieses Gefühl habe ich in den vergangenen Tagen auseinander gedröselt und dabei kam die Schlussfolgerung von oben heraus.

Das Gespräch

Ich musste mich bei einem Workshop selbst vorstellen und habe dabei das Stopfen als Hobby genannt. Beim Mittagessen kamen ein Teilnehmer und ich auf das Thema zurück und er meinte, dass er sich frage inwiefern das Stopfen im Alltagsleben realistisch ist. Man finde doch keine Zeit für so eine Tätigkeit und ob sich der Zeitaufwand lohne. Ich widerspreche ihm in keinem Punkt. Dennoch hatte ich das Gefühl, er rechtfertigte sich dafür, dass es keine Zeit gibt zu stopfen, zu retten. Und irgendwas hatte dieses Gespräch mit mir gemacht und ein unbehagliches Gefühl blieb und ich fragte mich, wie privilegiert ich sein muss, mir Zeit nehmen zu können.

Zeit und Geld und Wert

Es muss Zeiten gegeben haben, in denen Stopfen eine alltägliche Sache gewesen sein muss und wo man das beigebracht bekommen hat fürs Leben. Zeiten, in denen (a) nicht die Massen an Kleidung vorhanden war und damit einhergehend gemäß des geringeren Angebots Kleidung teurer gewesen sein muss; und (b) Menschen dann nicht genug Geldmittel hätten, um neue Kleidungsstücke erstehen zu können; ergo: die Kleidung die man besaß, musste man pflegen und so lang wie möglich instand halten.

Aber heute trifft (b) nicht mehr zu, weil (a) nicht mehr zutrifft: Es gibt viel Kleidung und Kleidung ist günstig. Es ist in vielen Fällen wahrscheinlich billiger, neue Kleidung zu kaufen als die bestehende zu reparieren. Und wir wissen: Zeit ist Geld. Kleidung muss nicht mehr instand gehalten werden, um tragfähige Kleidung im Schrank zu haben. In unserer Welt ist das Stopfen für den persönlichen Wohlstand obsolet geworden.

Überhaupt gilt: Zeit ist Zeit. Bei der Fülle an Optionen, seine Zeit zu verbringen, kann ich es verstehen, wenn Stopfen nicht gerade auf der Hitliste an Position 1 steht. Oder überhaupt in den Top 50.

Ich bin mir sicher, auch zu einer anderen Zeit war Zeit als Kapital wertvoll und die eigene Kleidung zu reparieren war Arbeit, so wie es heute auch noch ist. Heute, wo gefühlt ständig Zeitknappheit besteht, wer würde diese Arbeit freiwillig machen wollen, wenn man das nicht mehr muss?

Nicht für die Umwelt – für die Faszination

Für die Umwelt? Das wäre ehrenswert, äußerst ehrenswert. Aber ich werde dir das zumindest nicht sagen. Denn ich agiere nicht aus der Position heraus. Ich mache das aus purer Freude am Stopfen im Speziellen und Reparieren im Allgemeinen und daraus resultierend dem individuellen Retten. Ein Hobby eben. Und für Hobbys nimmt man sich gerne die Zeit. Ein Hobby ausleben zu können, ist ein Privileg – ganz allgemein gesagt. In jeder Hinsicht – zeitliches Kapital, finanzielles Kapital, mentales Kapital.

Sicherlich, ich finde es schade, wenn Dinge entsorgt werden, obwohl sie eine Chance auf ein weiteres Leben haben. Meiner Meinung nach sollte die Arbeit hinter jedem Kleidungsstück gewertschätzt werden – egal wie günstig es hergestellt wurde. Aber verurteilen möchte ich niemanden dafür. Ich hoffe dennoch, dass mehr Leute den gleichen Reiz wie ich im Stopfen/Reparieren finden. Es muss nicht direkt ein Hobby werden und der riesige Spaß sein wie bei mir. Wenn du aber zumindest bereit bist, es mal zu probieren und irgendwann mal die Chance beim Schopfe passt, dann ist damit für mich schon viel getan. Alternativ bringst du jemand aus deinem sozialen Umkreis dazu 😛

Wer weiß, welch Überraschung hinter dem Stopfen steckt und wie du dich bzw. Person X sich fühlen wird? 🎁

Dieser Post ist ein Teil der Reihe <Mein stopfendes Leben>.