zuhause unterwegs

Es ist nicht mal ein offenes Geheimnis, es ist sogar sehr offensichtlich. Bloß wird es manchmal übersehen, gerade weil es so offensichtlich ist: Das Schöne ist nah.

Ich möchte meine nahe und nähere Umgebung erkunden, bereisen, entdecken; das was so nah liegt, bewusst sehen und wertschätzen – so wie ich es auf Reisen in anderen Orten, Städte, Regionen, Länder mache.

Das ist das Ergebnis von diversen Gedanken und viel Zeit, um diese mal in Ruhe auseinanderzunehmen.

Eine Liste, Zeit vergeht, ein Umzug

Ich bin umgezogen. Und im Rückblick ist man immer schlauer. Eine Sache bereue ich ein wenig: Im letzten Wohnort, Dresden, habe ich mir selbst ein undefiniertes später vorgeschlagen für was auch immer ich in Dresden machen wollte. Später hieß es immer wieder; bis später jetzt ist, und jetzt Zeit zu packen der Umzugskisten ist. Keine Zeit mehr für kleine oder ausgedehnte Spaziergänge und keine Zeit mehr für Halbtagesausflüge in die nahgelegene Wanderregion. Aus später wurde zu spät. Und viele Dinge, die es zu sehen und zu probieren galt, blieben ungesehen und unprobiert.

Ich habe in Dresden Dinge gemacht, genossen und gelebt; Herzenssachen gemacht, so wie etwa die Stadtbibliotheksfahrradtour – so ist’s nicht. Denn einen ähnlichen Gedanken hatte ich bereits als ich nach Dresden zog. Ich hatte aus der vor-Dresden-Stadt meine Lehren gezogen und hatte es in Dresden besser gemacht. Am Ende gab es trotzdem noch ein paar offene Dinge. Ich weiß, es gibt immer etwas zu tun und zu entdecken und Zeit ist eh nie genug. Was ich mir dennoch selbst zuschreibe, ist zu unterschätzen, wie schnell dieses später kommt und den Optimismus gehabt zu haben, dass es sich schon von selbst ergeben würde. Tat es nicht.

Für den neuen Lebensort, Hochheim am Main, einer kleinen Stadt zwischen Mainz und Frankfurt am Main, möchte ich mich mehr dazu motivieren, Dinge nicht auf die lange Bank zu schieben und sie tatsächlich anzugehen.

Ankommen

Ganz eng verwandt mit dem Umzug und doch anders: hier anzukommen. Ich bin von einer Region in eine ganz andere, für mich neue Region, umgezogen. Alles neu. Und ich will das Gefühl von angekommen haben. Ich weiß nicht, woran sich das Gefühl im Detail festmacht. Bestimmt steckt ein bisschen vom ersten Grund hier drin. Indem ich mir Stück für Stück die Gegend erschließe, hoffe ich die Facetten des angekommen-Gefühls zu entdecken.

zuhause unterwegs, zuhause reisen

Ein Gedanke, der in den vergangenen Jahren immer wieder aufkam, kurz winkte und wieder abtauchte. Auf meiner Japanreise kam dieser eine Gedanke schon sehr früh (was mich überraschte):

Warum suche ich das Schöne so weit weg? Wieso fotografiere ich hier, weg von zuhause, so viel und bin so aufgeregt und zuhause nicht?

Es liegt auf der Hand: In einem fernen Land, so wie Japan, oder überhaupt an einem anderen Ort (Stadt, Region, Land) – da kommt man vielleicht nur einmal hin und hat eine begrenzte Zeit. Da möchte man so viel wie möglich sehen, erleben, aufsaugen, erinnern. Man bereitet sich auf die Reise vor und spürt große Vorfreude. Meistens ist es dann auch ein langersehnter Wechsel, Urlaub vom (Arbeits)Alltag.

Das, was ich zuhause vor der Tür habe (mehr oder weniger vor der Tür), ist nicht minder bewundernswert. Bloß nehme ich es weniger besonders wahr, weil es eben mein Alltag ist. Außerdem betrachte ich den Wohnort einfach nicht als Reiseort, aus demselben Grund. Damit fällt automatisch alles weg, was eben so zu einer Reise gehört.

Perspektivenwechsel also: Den Wohnort und das was drumherum liegt als Reiseort betrachten. So ganz bewusst. Tourist:in sein.

Das ist nichts Neues. Aber der bewusste Blickwechsel ist gut und wichtig für mich, um die Wahrnehmung ändern zu können.

The art of noticing

An den meisten Tagen werde ich es gar nicht weit schaffen, weil es die Zeit nicht zulässt und es wird beim Spaziergang um den Block bleiben. Aber gerade dann kommt umso mehr „the art of noticing“ zu tragen. The art of noticing, vor kurzem nahe gebracht durch ein Video von Teo Crawford, ist im Grunde achtsam sein und den Alltag bewusst zu sehen. Was würde mir auffallen, was würde ich fotografieren, wenn ich das hier nicht täglich sehen würde?

Nun ans Eingemachte: Wie weit darf’s sein? Der Weg und die Zeit

Der Umfang (Zeit/Dauer und Distanz) wird und kann ganz unterschiedlich sein. Ich kann schwer eine Grenze ziehen. Der Zeitumfang und die Distanz korrelieren: Umso weiter ich mich von den eigenen vier Wänden entferne, desto länger werde ich wahrscheinlich wegbleiben. Das hängt sicherlich auch von der tatsächlichen Fahrtzeit ab als von der Luftliniendistanz. Es kann also eine Entdeckungstour zwischen 10 min (eine Runde vor die Haustür) bis zu einem ganzen Wochenende sein, das ich nicht zuhause sein werde.

Für mich

Anfangs dachte ich, dass eine Kamera und mein Blog mich begleiten werden. Aber dann hat mich ein komisches Gefühl beschlichen und ich merkte: Ich mache das ja für mich. Ich will erleben, hier sein. Nicht, damit am Ende was vorzeigbares entsteht.

Was es zu einer vorzeigbaren Erinnerung schafft, sei es ein Foto oder eine Anekdote oder ein Mini-Reisebericht – wir werden sehen. Mit diesem Post wollte ich vor allem meine Gedanken hierzu teilen. Denn ein bisschen angefangen mit alldem habe ich irgendwie schon – ich brüte das ja auch schon einige Zeit aus he he.

Ich weiß, das ist nichts Neues (ich wiederhole mich). Viele Menschen machen das so (in den letzten Tagen habe ich tolle Blogs dazu entdeckt!). Aber ich habe es für mich gebraucht, das mal zu sammeln und zu sortieren und das ist also dabei rausgekommen 😀

Vorfreude, oh, Vorfreude

Ich freue mich sehr auf das! Darauf, mich bisschen wie eine Touristin zu fühlen mit Reisetipps im Sack, und zu bummeln und Herzensorte zu finden; und an anderen Tagen was es in der unmittelbaren Umgebung zu sehen und zu beobachten gibt. Ich hoffe auf viel (schönes) Unvorhergesehenes, auf Überraschungen, die einem so begegnen, wenn man draußen und unterwegs ist. Ich weiß jetzt schon, dass ich viel lernen werde, über das was hier ist, aber auch und vor allem über mich.


Bild 1: TU Dresden in Dresden, 2022 | Kamera: Olympus XA2. Film: Agfaphoto APX 100. Filmentwicklung: selbstentwickelt. Scan: Charlie Engel Lab 2.0

Bild 2: Weinreben in Hochheim am Main, 2023 | Kamera + Objektiv: Minolta 9000 AF + Minolta AF 50 mm f/1.4. Film: Agfaphoto APX 100. Filmentwicklung + Scan: ON FILM LAB

Eine Bibliothekstour durch Dresden auf zwei Rädern

Was ich an halbwegs großen Städten sehr gerne mag: Sie haben Stadtteilbibliotheken. Eine Zentralbibliothek und viele kleine Stadtteilbibliotheken, überall verteilt, damit jede:r möglichst schnell und einfach an Bücher kommt.

Ich bin in einer halbwegs großen Stadt aufgewachsen und habe auch damals schon die nächstgelegene, „meine“ Stadtteilbibliothek besucht. Dabei habe ich damals gar nicht so viel gelesen. Erst später ist mir aufgefallen, dass ich wirklich oft in der Stadtteilbibliothek war. Einfach so. Weil eine Bibliothek ein schöner Ort ist.

Dresden ist eine halbwegs große Stadt. Eine Zentralbibliothek in der Stadt (ich schätze und vermisse sie sehr!), und viele kleine Stadtteilbibliotheken, überall verteilt.

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Ein Märzfreitag vor zwei Jahren. Ich hatte mir freigenommen, um mal wieder den Kopf freizukriegen. Zu dem Zeitpunkt lebte ich schon einige Jahre in Dresden und wie so oft habe ich meine Füße kaum an die Orte gekriegt, die ich doch so schätzte. Es war bereits absehbar, dass ich auf kurz oder lang aus Dresden wegziehen würde. Ich kann mir vorstellen, dass das ein mittelgroßer Arschtritt war, der mich auf den Fahrradsattel getreten hat und endlich den Wunsch zu verfolgen, den ich schon länger gehegt hatte: mit einer kleinen Radtour mehrere Stadtteilbibliotheken an einem Tag besuchen.

So packte ich mir eine Flasche Wasser ein, dazu ein Notizbuch, mein Mäppchen und meine kleine Point-and-Shoot-Kamera Olympus XA2.

Vier Bibliotheken hatte ich mir für den Tag ausgesucht:

#1 Bibliothek Cotta

#2 Bibliothek Pieschen

#3 Bibliothek Blasewitz

#4 Bibliothek Gruna

Ich startete in der Südvorstadt (im Süden der Stadt) und fuhr dann gewissermaßen im Uhrzeigersinn einmal eine kleine Runde durch Dresden. Es waren immerhin knapp 30 km – für mich, die sonst das Fahrrad nur für Einkäufe nutzte, eine stolzmachende Strecke. Die Route auf Google Maps ist nachgezeichnet; den Weg bin ich bestimmt nicht gefahren, so wie ich mich kenne. Eher hier und dort gewollt oder ungewollt einen Umweg gefahren. Und die Zeitangabe stimmt gleich fünf Mal nicht.

Auf dem Weg habe ich einige Male angehalten, um hübsche/süße/bemerkenswerte Ecken zu fotografieren. In den Bibliotheken habe ich mich orientiert, herumgestöbert, Sitzmöglichkeiten ausprobiert und Tische genutzt, um mir Notizen zu machen. Mich an Kinderbuchecken erfreut, und an ausgestellten Büchern, die interessant wirkten. Es muss eine Gabe sein, eine gute und ansprechende Auswahl treffen zu können. FOMO gefühlt, wenn ein tolles Buch ausgestellt war, das ich bestimmt nie wieder finden würde, wenn ich es mal ausleihen wollte. Gedacht, dass Bücher genau so vielfältig wie deren Autor:innen sind – und die Herausforderung darin liegt, das richtige Buch zu finden, das mich da abholt, wo ich gerade bin und was ich gerade suche. In der Bibliothek Blasewitz gab es eine CD-Ecke mit CD-Gerät. Das musste ich ausprobieren und habe mich in meine Jugendjahre katapultieren lassen, als ich mit einer Freundin an verregneten Samstagen in den Saturn im nahe gelegen Einkaufszentrum ging, um random 30 Sekunden eines Tracks zu hören bevor es zum nächsten Lied überging. Ich bin ein bisschen den Elbradweg gefahren und habe beobachtet, wie der Frühling die Menschen auf die Elbwiesen lockte zur Mittagszeit und war begeistert von einer Roller Skaterin, die wie eine Eiskunstläuferin skatete (rückwärts, drehend, smooth). Andere Stadtviertel wurden gesehen und für schön oder mindestens eigen bewertet. Es wurde mittags in der Sonne Mittag gespeist und am Nachmittag schloss ich den Tag gebührend in der Dönerbude des Vertrauens ab.

Es gibt noch so viel zu sagen: Über Bibliotheken, über das Erkunden des Wohnortes, über Bücher, über Reisen. Aber nicht heute, das muss für heute reichen. Und das sage ich vor allem mir selbst.

Von oben nach unten: (1) Auf dem Weg zur Bibliothek Cotta (2, 3) Bibliothek Cotta (4, 5) Bibliothek Pieschen (6) Pieschen


Kamera + Objektiv: Olympus XA2
Film: Agfaphoto APX 100
Filmentwicklung: selbstentwickelt
Scan: Charlie Engel Lab 2.0

Fotokiosk: Hinterhoffrühling

Hinterhoffrühling. Frühling im Hinterhof.

2022


Ich finde Magnolien wunderschön. Aber wer tut das nicht? Ich erwische die Blütezeit gerade noch so, aber eigentlich bin ich schon zu spät.

Magnolien gab es bei uns auf dem Hinterhof nicht. Aber der Frühling lässt auf so verschiedene Weisen grüßen. Alles blüht, die Farben explodieren überall wo man hinsieht (und der Heuschnupfen sagt ebenso „Hallo!“). Irgendwo habe ich mir mal eine Notiz gemacht, dass schwarzweiße Bilder oft melancholisch wirken. Und obwohl die Farbe fehlt, so hat auch das Bild etwas frühlingshaftes. Das Licht, die Sonne spürt man auch in schwarzweiß. Vielleicht gerade deshalb umso mehr.


Kamera + Objektiv: Olympus XA2
Film: Agfaphoto APX 100
Filmentwicklung: selbstentwickelt
Scan: Charlie Engel Lab 2.0