Ein Säckchen Hirnplopps #3

Grafik by my dear friend Thani

Es gab schon lange kein Säckchen Hirnplopps mehr. Es finden sich daher einige Sachen aus der ersten Jahreshälfte wieder – so lange warten die folgenden Gedankenschnippsel schon darauf, dass das Säckchen endlich voll genug ist, damit ich einen Post absetzen will😄

  • Was Feiertage im Jahr 2021 angeht, ist das Jahr eine Enttäuschung, weil viele Feiertage auf einen Sonntag fallen. Dennoch gab es paar Daten, die ich super fand:
    • 2021 hatte in meinen Augen (und einiger anderer) einen wunderschönen Februar, was die Wochentage anging! Der 28-tägiger Februar begann an einem Montag und endete dementsprechend an einem Sonntag. Das bedeutete, dass der erste Tag des Monats Februar auch der erste Tag der Woche und das gleiche auch für den letzten Tag bedeutete. Ich nenne das kalendarische Perfektion und Schönheit!
    • Das Datum 12.02.2021 ist ein Palindrom. Warte, ich schreibe es mal ohne die Trennzeichen: 12022021. Egal, ob ich das Datum von links nach rechts oder rechts nach links lese, es bleibt der 12. Februar 2021.
    • 4.3.21 ist doch auch schön, oder?
  • Bleiben wir bei Palindromen (Mag ich Palindrome? Vielleicht.). Als ich darauf wartete, dass mein Teewasser kochte, wurde mir klar, dass das Wort RETTER ein Palindrom ist. Kanntest du dieses Palindrom schon?
  • Das deutsche Wort MOOS und die englische Übersetzung davon, MOSS, sind sich super ähnlich. Beide fangen mit einem M an, haben als weitere Buchstaben noch ein O und ein S. Während im Deutschen aber das O doppelt vorkommt, ist es im Englischen das S und aufgrund dieser Dopplung unterscheidet sich die Aussprache.  Durch die Dopplung des Vokals wird das Wort im Deutschen langgezogen und im Englischen wird das Wort (aus deutscher Sicht) aufgrund  des doppelten Konsonanten kurz ausgesprochen. Ich sehe darin eine gewisse Symmetrie und finde das irgendwie faszinierend (und hoffe, dass ich mich irgendwie verständlich machen konnte).

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Ein flüchtiger Moment des Vermissens

„Heute ist Diane ja gar nicht da!“, kommentierte ich letztens beim Frühstück. Das Gegenüber, die mit mir frühstückte, hat mich nur angeschaut. Anscheinend beschäftigte diese Tatsache mein Gegenüber nicht so sehr wie mich.

Diane ist eine der beiden Moderator*innen der Frühsendung unseres Stammradiosenders und wechselt sich im wöchentlichen Rhythmus mit ihrem Kollegen ab. Im Gegensatz zu meinem Gegenüber war ich irritiert, als eine ganz andere Stimme zu uns sprach. Ohne zu wissen, dass ich es tat, hatte ich Diane erwartet und mich auf ihre Stimme eingestellt. Als sich zu der Irritation noch ein gewisses Bedauern und Enttäuschung gesellte, merkte ich, dass ich mich unterbewusst auf sie gefreut hatte, sonst hätte ich kaum enttäuscht werden können. Nach all der „gemeinsamen“ Radiozeit hatte sie mir ein gewisses Gefühl von Vertrautheit gegeben.

Wenn Menschen entgegen unserer Erwartung (weil Gewohnheit) nicht da sind und uns das auffällt, ist das nichts ungewöhnliches. Wenn ein*e Kolleg*in ohne Vorwarnung nicht da ist (krank), fällt uns das auf. Oder wenn eine Person, mit der wir regelmäßig in Kontakt sind, z. B. über Chats oder Mails, lange nicht antwortet, merken wir das. Oder wenn YouTube-Videos, Blogposts, Podcastfolgen lange ausbleiben, fragen wir uns, wie es der*dem Content-Creator geht.

Aber in all diesen Situationen ist das auf irgendeine Weise eine aktive Tätigkeit. Ich rufe bewusst das Medium auf, um wieder was zu hören oder mit der*dem Kolleg*in ist man aufgrund eines Projektes in regelmäßigem Kontakt. Es ist viel präsenter.

Semi wahrgenommene Situationen des Alltags

Und dann gibt es noch diese Situationen im Leben, die zwar zum Alltag dazugehören, die man aber nur so semi wahrnimmt. Das Radio ist für mich so eine Situation. Es ist ein Medium, das nebenher läuft. Ich mache es morgens oder wenn ich was im Hintergrund haben möchte an und schalte es aus, wenn ich mich konzentrieren möchte. Das Radio und alles was dazu gehört – Programm, Moderator*innen, Musik – ist halt da ganz ohne meine aktive Partizipation.

Ich habe mich nicht dazu entschieden, die Morgenshow aus einem bestimmten Grund hören zu wollen, sondern es hat sich ergeben, weil ich morgens gerne etwas audiomäßiges laufen lasse. Und dafür, dass es eigentlich eine Nebenhersache ist,  habe ich tatsächlich eine ganz eigene Verbindung zu den Moderator*innen aufgebaut.  Ich habe mich in dem Moment, als Dianes Stimme nicht erklang, instantly gewundert. Ist das noch Aufmerksamkeit oder schon eine Form des Vermissens? Dieses kurze Aufhorchen, weil eine vermeintliche Kleinigkeit anders ist.

Ich denke gerade an all die Menschen, mit denen ich irgendwo im Alltag in Kontakt komme und die ich immer wieder treffe, weil der Alltag das so geschehen lässt: Mitarbeiter*innen in der Bäckerei oder dem Supermarkt,  die Fachkraft in der Bücherei oder das Team in der Dönerbude um die Ecke.  Ich wäre ganz kurz irritiert, wenn sie entgegen meiner Erwartung nicht da wären. Ein flüchtiger Moment des Vermissens.

Es ist komisch, dieses Gefühl tatsächlich als Vermissen zu bezeichnen. Das Wort „vermissen“ wirkt zu groß für das, was ich beschreibe, aber unwahr finde ich es auch nicht.

Was denkst du? Fallen dir Menschen ein, mit denen du im Leben auf den ersten Blick nichts zutun hast, die dir aber auf eine ähnliche Weise „fehlen“ würden, wenn sie mal nicht da wären?

Eine romantisierte Treppe

 

Im Alltag lege ich die Füße lieber auf Fahrradpedalen ab als übermäßig häufig Kontakt mit dem Boden aufzunehmen. Dennoch konnte ich mich zu jenem Zeitpunkt zu der breiten Masse zählen, die das Spazierengehen zu schätzen gelernt hatte. An jenem Nachmittag war ich in der Nachbarschaft unterwegs, ein weiterer von unzählig vielen ähnlichen kurzen Ausflügen in dem Jahr. Bis dahin war Spazierengehen für mich eher eine Sache, die ich tat, wenn ich zu viel gegessen hatte aka Verdauungsspaziergang.

Meistens gehe ich bekannte Wege, aus Faulheit. Aber an diesem einen Herbsttag war ich wohl ein ganz kleines Ticken abenteuerlustiger unterwegs und landete durch einmal anders abbiegen auf diesem Hinterhof, der mich heute, fast nach einem Jahr, diesen Text schreiben lässt. Vor mir war ein weißer Treppenaufgang, geschwungen und um die Ecke gehend. Ein Treppenaufgang wie ich es aus Disney-Filmen kenne, wo Frauen in Ballkleidern und hochgesteckten Frisuren herunterkommen. Nicht ganz so lang. Und nein, das habe ich damals nicht gedacht, aber das denke ich jetzt, wenn ich diesen Treppenaufgang sehe. Am Ende der Treppe eine hohe Tür aus Holz mit Fensterfronten und einem Türbogen. Darüber ein Dach, das wie ein Deckel einer Zuckerdose aus Porzellan aussieht.

Und so sehr dieser Eingang mich an Romantik erinnert und ich mich jetzt frage, ob es sich anders anfühlt, einen Schlüssel für diese Tür zu besitzen als zu anderen Türen – die Faszination bleibt darin, dass ich die Treppe weder an diesem noch an einem anderen Tag hochgegangen bin, nur dieses Foto hier habe und nun überlege, ob dieser Hauseingang sich einer romantischen Geschichte näher anfühlt als meine eigene Haustür. Mit großer Wahrscheinlichkeit nicht.

Es ist amüsant, wie ich jetzt im Nachhinein die Situation romantisiere und immer wieder erstaunlich, wie sehr sich gesehene Bilder und Ideen im Kopf verankern. Denn schlussendlich stand ich nur in einem Hinterhof, schon später Nachmittag und die Häuser und Wolken standen gut und purer Zufall brachte mich dort hin. Ich hätte auch auf eine unaufregende Hausfassade treffen können (wie an den meisten Tagen) und das Bild und dieser Text wären nicht entstanden. Wie sich Dinge manchmal ergeben – auch ganz unterhaltsam wie ich finde.