Eine Bibliothekstour durch Dresden auf zwei Rädern

Was ich an halbwegs großen Städten sehr gerne mag: Sie haben Stadtteilbibliotheken. Eine Zentralbibliothek und viele kleine Stadtteilbibliotheken, überall verteilt, damit jede:r möglichst schnell und einfach an Bücher kommt.

Ich bin in einer halbwegs großen Stadt aufgewachsen und habe auch damals schon die nächstgelegene, „meine“ Stadtteilbibliothek besucht. Dabei habe ich damals gar nicht so viel gelesen. Erst später ist mir aufgefallen, dass ich wirklich oft in der Stadtteilbibliothek war. Einfach so. Weil eine Bibliothek ein schöner Ort ist.

Dresden ist eine halbwegs große Stadt. Eine Zentralbibliothek in der Stadt (ich schätze und vermisse sie sehr!), und viele kleine Stadtteilbibliotheken, überall verteilt.

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Ein Märzfreitag vor zwei Jahren. Ich hatte mir freigenommen, um mal wieder den Kopf freizukriegen. Zu dem Zeitpunkt lebte ich schon einige Jahre in Dresden und wie so oft habe ich meine Füße kaum an die Orte gekriegt, die ich doch so schätzte. Es war bereits absehbar, dass ich auf kurz oder lang aus Dresden wegziehen würde. Ich kann mir vorstellen, dass das ein mittelgroßer Arschtritt war, der mich auf den Fahrradsattel getreten hat und endlich den Wunsch zu verfolgen, den ich schon länger gehegt hatte: mit einer kleinen Radtour mehrere Stadtteilbibliotheken an einem Tag besuchen.

So packte ich mir eine Flasche Wasser ein, dazu ein Notizbuch, mein Mäppchen und meine kleine Point-and-Shoot-Kamera Olympus XA2.

Vier Bibliotheken hatte ich mir für den Tag ausgesucht:

#1 Bibliothek Cotta

#2 Bibliothek Pieschen

#3 Bibliothek Blasewitz

#4 Bibliothek Gruna

Ich startete in der Südvorstadt (im Süden der Stadt) und fuhr dann gewissermaßen im Uhrzeigersinn einmal eine kleine Runde durch Dresden. Es waren immerhin knapp 30 km – für mich, die sonst das Fahrrad nur für Einkäufe nutzte, eine stolzmachende Strecke. Die Route auf Google Maps ist nachgezeichnet; den Weg bin ich bestimmt nicht gefahren, so wie ich mich kenne. Eher hier und dort gewollt oder ungewollt einen Umweg gefahren. Und die Zeitangabe stimmt gleich fünf Mal nicht.

Auf dem Weg habe ich einige Male angehalten, um hübsche/süße/bemerkenswerte Ecken zu fotografieren. In den Bibliotheken habe ich mich orientiert, herumgestöbert, Sitzmöglichkeiten ausprobiert und Tische genutzt, um mir Notizen zu machen. Mich an Kinderbuchecken erfreut, und an ausgestellten Büchern, die interessant wirkten. Es muss eine Gabe sein, eine gute und ansprechende Auswahl treffen zu können. FOMO gefühlt, wenn ein tolles Buch ausgestellt war, das ich bestimmt nie wieder finden würde, wenn ich es mal ausleihen wollte. Gedacht, dass Bücher genau so vielfältig wie deren Autor:innen sind – und die Herausforderung darin liegt, das richtige Buch zu finden, das mich da abholt, wo ich gerade bin und was ich gerade suche. In der Bibliothek Blasewitz gab es eine CD-Ecke mit CD-Gerät. Das musste ich ausprobieren und habe mich in meine Jugendjahre katapultieren lassen, als ich mit einer Freundin an verregneten Samstagen in den Saturn im nahe gelegen Einkaufszentrum ging, um random 30 Sekunden eines Tracks zu hören bevor es zum nächsten Lied überging. Ich bin ein bisschen den Elbradweg gefahren und habe beobachtet, wie der Frühling die Menschen auf die Elbwiesen lockte zur Mittagszeit und war begeistert von einer Roller Skaterin, die wie eine Eiskunstläuferin skatete (rückwärts, drehend, smooth). Andere Stadtviertel wurden gesehen und für schön oder mindestens eigen bewertet. Es wurde mittags in der Sonne Mittag gespeist und am Nachmittag schloss ich den Tag gebührend in der Dönerbude des Vertrauens ab.

Es gibt noch so viel zu sagen: Über Bibliotheken, über das Erkunden des Wohnortes, über Bücher, über Reisen. Aber nicht heute, das muss für heute reichen. Und das sage ich vor allem mir selbst.

Von oben nach unten: (1) Auf dem Weg zur Bibliothek Cotta (2, 3) Bibliothek Cotta (4, 5) Bibliothek Pieschen (6) Pieschen


Kamera + Objektiv: Olympus XA2
Film: Agfaphoto APX 100
Filmentwicklung: selbstentwickelt
Scan: Charlie Engel Lab 2.0

„Das Stopfen ist mein Hobby.“

Das Stopfen ist mein Hobby. Ich bin also bereit, freiwillig Zeit in diese Tätigkeit zu investieren und genieße diese Zeit. Ich repariere gerne ein Kleidungsstück und „rette“ es damit vor dem Wegwerfen, weil es mich reizt etwas wieder funktionstüchtig zu machen und aus dem kaputten Zustand zu heben. Der Weg dahin ist die Herausforderung, die mich anspornt: das Verständnis für das Stück vor mir, die Anwendung einer passenden Technik und zu sehen, wie es sich fügt, Webreihe um Webreihe oder Masche um Masche. Diese Herausforderung zu meistern und am Ende das Stück wieder tragfähig gemacht zu haben, hyped mich.

Ich „rette“ es aber nicht aus nachhaltigen Gründen und um weniger Müll zu produzieren. Das ist zwar ein sehr positiver Nebeneffekt, wenn ich stopfe, aber für mich nicht der priorisierte Zweck. Warum ich das erzähle?

Das Narrativ

Das Narrativ, dass ich der Umwelt zugute und aus Nachhaltigkeitsgründen stopfe, trifft auf mich nicht zu und daher möchte ich es nicht (mehr) bedienen. Ich habe das Thema Nachhaltigkeit nie in den Mittelpunkt rücken wollen, aber es schwingte wahrscheinlich immer irgendwo mit. Ein Gespräch ist mir in Erinnerung geblieben und seitdem trage ich so ein unbehagliches Gefühl mit mir rum. Dieses Gefühl habe ich in den vergangenen Tagen auseinander gedröselt und dabei kam die Schlussfolgerung von oben heraus.

Das Gespräch

Ich musste mich bei einem Workshop selbst vorstellen und habe dabei das Stopfen als Hobby genannt. Beim Mittagessen kamen ein Teilnehmer und ich auf das Thema zurück und er meinte, dass er sich frage inwiefern das Stopfen im Alltagsleben realistisch ist. Man finde doch keine Zeit für so eine Tätigkeit und ob sich der Zeitaufwand lohne. Ich widerspreche ihm in keinem Punkt. Dennoch hatte ich das Gefühl, er rechtfertigte sich dafür, dass es keine Zeit gibt zu stopfen, zu retten. Und irgendwas hatte dieses Gespräch mit mir gemacht und ein unbehagliches Gefühl blieb und ich fragte mich, wie privilegiert ich sein muss, mir Zeit nehmen zu können.

Zeit und Geld und Wert

Es muss Zeiten gegeben haben, in denen Stopfen eine alltägliche Sache gewesen sein muss und wo man das beigebracht bekommen hat fürs Leben. Zeiten, in denen (a) nicht die Massen an Kleidung vorhanden war und damit einhergehend gemäß des geringeren Angebots Kleidung teurer gewesen sein muss; und (b) Menschen dann nicht genug Geldmittel hätten, um neue Kleidungsstücke erstehen zu können; ergo: die Kleidung die man besaß, musste man pflegen und so lang wie möglich instand halten.

Aber heute trifft (b) nicht mehr zu, weil (a) nicht mehr zutrifft: Es gibt viel Kleidung und Kleidung ist günstig. Es ist in vielen Fällen wahrscheinlich billiger, neue Kleidung zu kaufen als die bestehende zu reparieren. Und wir wissen: Zeit ist Geld. Kleidung muss nicht mehr instand gehalten werden, um tragfähige Kleidung im Schrank zu haben. In unserer Welt ist das Stopfen für den persönlichen Wohlstand obsolet geworden.

Überhaupt gilt: Zeit ist Zeit. Bei der Fülle an Optionen, seine Zeit zu verbringen, kann ich es verstehen, wenn Stopfen nicht gerade auf der Hitliste an Position 1 steht. Oder überhaupt in den Top 50.

Ich bin mir sicher, auch zu einer anderen Zeit war Zeit als Kapital wertvoll und die eigene Kleidung zu reparieren war Arbeit, so wie es heute auch noch ist. Heute, wo gefühlt ständig Zeitknappheit besteht, wer würde diese Arbeit freiwillig machen wollen, wenn man das nicht mehr muss?

Nicht für die Umwelt – für die Faszination

Für die Umwelt? Das wäre ehrenswert, äußerst ehrenswert. Aber ich werde dir das zumindest nicht sagen. Denn ich agiere nicht aus der Position heraus. Ich mache das aus purer Freude am Stopfen im Speziellen und Reparieren im Allgemeinen und daraus resultierend dem individuellen Retten. Ein Hobby eben. Und für Hobbys nimmt man sich gerne die Zeit. Ein Hobby ausleben zu können, ist ein Privileg – ganz allgemein gesagt. In jeder Hinsicht – zeitliches Kapital, finanzielles Kapital, mentales Kapital.

Sicherlich, ich finde es schade, wenn Dinge entsorgt werden, obwohl sie eine Chance auf ein weiteres Leben haben. Meiner Meinung nach sollte die Arbeit hinter jedem Kleidungsstück gewertschätzt werden – egal wie günstig es hergestellt wurde. Aber verurteilen möchte ich niemanden dafür. Ich hoffe dennoch, dass mehr Leute den gleichen Reiz wie ich im Stopfen/Reparieren finden. Es muss nicht direkt ein Hobby werden und der riesige Spaß sein wie bei mir. Wenn du aber zumindest bereit bist, es mal zu probieren und irgendwann mal die Chance beim Schopfe passt, dann ist damit für mich schon viel getan. Alternativ bringst du jemand aus deinem sozialen Umkreis dazu 😛

Wer weiß, welch Überraschung hinter dem Stopfen steckt und wie du dich bzw. Person X sich fühlen wird? 🎁

Dieser Post ist ein Teil der Reihe <Mein stopfendes Leben>.

Botanischer Garten und der Ginkgo

Botanische Gärten haben in meinem Kopf diesen Bildungsaspekt inne. Oft sind sie an eine Universität angeschlossen und wenn man einen botanischen Garten betritt, so unterliegen die Pflanzen einer bestimmten Systematik. Und überall sieht man diese kleinen rechteckigen Metallplatten, wo in schwarz der wissenschaftliche Name eingraviert ist. Manchmal gibt es sogar einen Trivialnamen, den man lernen kann.

Was ich am wenigsten mitnehme: Wissen über Pflanzen. Oft habe ich mir gedacht: Heute schaust du dir mal eine Pflanze an, merkst sie dir und ihren Namen! Und wenn du das paar Mal machst, hast du dein Wissensrepertoire über Pflanzen direkt um ein kleines bisschen erweitert.

Und wie oft war es mir dann doch zu anstrengend und ich habe mich einfach an den Pflanzen und wie sie zusammengestellt wurden, erfreut.

Wie ich durch den deutschen Wikipedia-Artikel „Botanischer Garten“ lernte, habe ich damit alles richtig gemacht. Dort heißt es: „‚Science and pleasure‘ hieß der Leitspruch des botanischen Garten in Kew bei London (England), am Beginn der Entstehungsgeschichte der großen botanischen Gärten in Europa und Amerika.“ Vergnügen ist also mindestens genauso erwünscht wie der wissenschaftliche Aspekt.

Ginkgo?

Einmal habe ich tatsächlich was mitgenommen. Nicht mehr ganz klar, wie sich alles zugetragen hat, hier meine vage Erinnerung: In einem botanischen Garten standen ein bis zwei Ginkgobäume. Neben den Metallnamensschilder gab es ein Poster, das mehr Informationen versprach. Darauf stand geschrieben: Ginkgobäume haben zwei Geschlechter – weiblich oder männlich. Der botanische Garten verzichtete auf das eine Geschlecht, weil das andere Geschlecht irgendetwas stinkendes von sich gab.

Die fehlenden Details habe ich kurzerhand recherchiert, damit weder du noch ich diesen Text mit gefährlichem Halbwissen beenden. Der botanische Garten Karlsruhe erklärt’s im Abschnitt „Männliche und weibliche Ginkgos“: Weibliche Pflanzen entwickeln im Herbst Früchte, die irgendwann vom Baum abfallen. Wenn man diese dann zertritt, stinken sie nach Buttersäure. Daher gehe ich aus, dass der Dresdener botanische Garten, wo ich das Poster gelesen hatte, nur männliche Pflanzen hatte.

Die Bilder von den Ginkgos sind jedoch nicht im Dresdener botanischen Garten, sondern – nach dem Erdbeertörtchen – im botanischen Garten unweit der S-Bahn Station Klein Flottbek, Hamburg entstanden.

Zwei Dinge zum Schluss: Erstens – Goethe hat ein Gedicht über den Ginkgo geschrieben, es nennt sich „Ginkgo biloba“. Und zweitens – nicht das g hinter dem k vergessen in Ginkgo.


Kamera + Objektiv: Minolta 9000 AF + Minolta AF 50mm f1.4
Film: KODAK 100T-MAX
Filmentwicklung + Scan: Charlie Engel Lab 2.0